Lerntechniken anwenden – Kurs „Lernen lernen“ Teil 4

Die meisten Menschen wenden keine oder nur unzureichende Lernmethoden & Lehrtechniken an. Lernen muss nicht viel Zeit kosten – im Gegenteil – was Sie viel Zeit kostet, sind schlechte oder chaotische Lerntechniken. Hier geben wir Anregungen zu Lerntechniken, die jeder selbst ausprobieren kann. Lassen Sie sich von den Ideen dieses Kurses inspirieren – Sie können nur gewinnen!

Einführung und Überblick

Bearbeitungszeit insgesamt: ca. 120 Minuten
In diesem Kurs erfahren Sie, durch welche Methoden Sie Ihre Lernleistung steigern können und was Sie tun können, um Lernstoff nicht zu „pauken“, sondern zu verstehen.
Lektionen – Übersicht:
Einführung ca. 40 Minuten
Wie gut und leicht lernen Sie? Erfahren Sie, welche Art von Streß zu Denkblockaden führt und trainieren Sie Ihre Fähigkeit Assoziationen zu bilden.
Assoziationen bilden Vom Chaos zur Ordnung Der größte Streßfaktor?
Grundlagenwissen ca. 40 Minuten
In den folgenden Lektionen beschäftigen wir uns mit den Grundlagen erfolgreicher Lerntechniken. Lernen heißt verstehen Grundsätze des Lernens Die Lernkartei
Lerntechiken in der Praxis ca. 40Minuten
Sehen wir uns an, wie wir unser Wissen über Lerntechniken in die Praxis übertragen können.
Fallbeispiele

Der gesamte Kurs im Überblick:

Lerntechniken anwenden

Was sind Lerntechniken?

Bevor wir zu einigen Übungen kommen, will ich hier kurz die Frage in den Raum stellen, was man sich unter Lerntechniken überhaupt vorstellen kann. Lernen bedeutet „fremde“ oder „neue“ Informationen zu verstehen und ins eigene Denken integrieren zu können.

Die eigene Leistung beim Lernen beruht also darauf, sich Unbekanntes zu erarbeiten und selbständig ins eigene Weltbild (Denken) zu integrieren. Wir können dabei nur Sachverhalte lernen, die an bereits vorhandenes Grundwissen bzw. vorhandene Erfahrung anknüpfen – oder negativ formuliert – wir können nichts lernen, was nicht bereits in Grundzügen in unserem Denken oder unseren Erfahrungen vorliegt.

Was ist eine Lerntechnik

Damit neues Wissen an unser bisheriges Reservoir an Wissen angeschlossen werden kann, benötigen wir „Brücken“, die das vorhandene Wissen mit dem neuen Wissen verbinden. Misslingt uns der Versuch unser Grundwissen mit dem neuen Wissen zu verbinden (zu „überbrücken), verstehen wir nur „Bahnhof“ – oder besser – wie verstehen überhaupt nichts bzw. nur ungenügend oder fehlerhaft.

Wenn wir lernen, bilden wir bewusst oder unterbewusst immer schon solche „Brücken“. Diese Fähigkeit der „Brückenbildung“, Vernetzung oder Integration von Wissen ist immer schon ein Ergebnis der Anwendung ein oder mehrerer Lerntechniken.

Manche Menschen lernen zwar, aber es ist ihnen nicht bewusst, wie sie lernen – ihnen ist ihre eigene Methodik nicht transparent. Hier könnte man von „Talent“ oder anerzogenen Verhaltensmustern reden, die das Lernen möglich gemacht haben.

Wenn wir uns mit Lerntechniken beschäftigen, wollen wir unsere vorhandenen Fähigkeiten Informationen zu vernetzen, gezielt ausbauen. Je abstrakter und komplexer ein Lernstoff wird, desto mehr Anforderungen stellt er an den Lernenden.

Die bildliche Metapher – beispielsweise Äpfel und Birnen hin und herzuschieben – mag ausreichen, um Addition und Subtraktion zu verstehen. Je abstrakter der Lernstoff wird – beispielsweise, wenn wir binomische Formeln anwenden wollen – desto weniger reichen unsere „Äpfel-und-Birnen-Vorstellungen“ aus. Wir benötigen eine andere „Brücke“, um komplexere Inhalte in unser Weltbild einbauen zu können.

Die folgenden Übungen und Erläuterungen verfolgen den Zweck, uns verschiedene Möglichkeiten bewusst zu machen, wie so eine Vernetzung zustande kommen kann. Damit haben wir die Option zu prüfen, welche dieser Lerntechniken wir bereits anwenden bzw. welche wir noch gar nicht kennen.

Neue Techniken der „Brückenbildung“ – oder Anwendung einer neuen Lerntechnik – geben uns die Möglichkeit, Dinge zu verstehen, die wir bislang nicht verstanden haben. Aus dieser Perspektive wäre ein Unterschied zwischen einem schlechten und einem guten Schüler das unterschiedliche große Repertoire an Lerntechniken, welches beiden zur Verfügung steht.

Beginnen wir mit einer einfachen Technik der „Brückenbildung“ – der Assoziation. Das Assoziieren ist eine intuitive Art der „Brückenbildung“. Man verknüpft vorgegebene Daten mit eigenen Gedankengängen.

Wenn Sie sich beispielsweise den Zahlencode 7412 für Ihre Kontokarte merken wollen, können Sie sich die Zahlenfolge als Einzelziffern merken oder – wenn Sie auf Ihr Nummernfeld sehen – erkennen, dass die Zahlenfolge die Form des Buchstabens L hat. Es ist jedoch wesentlich einfacher sich die Assoziation „L“ zu merken, als eine scheinbar willkürliche und unzusammenhängende Reihenfolge von Zahlen.

Was habe ich gemacht? Ich habe aus einer willkürlichen Zahlenfolge ein konkretes „Muster“ gebildet. Assoziieren ist also die Fähigkeit scheinbar Unzusammenhängendes in ein neues (oder bekanntes) Muster zu überführen. Ein solches Überführen in Muster hilft mir an bekannte Strukturen anzuknüpfen und damit auch einen Zusammenhang leichter zu erinnern.

Anders formuliert: Ihre Fähigkeit richtig zu assoziieren, ist immer mit Ihrer Fähigkeit der Musterbildung verknüpft. Ein Muster zu bilden ist ein kreativer Akt des Denkens, d.h. je kreativer Sie sind passende Muster für vorhandene Daten zu entwickeln, desto mehr und einfacher können Sie scheinbar willkürliche Daten im eigenen Denken vernetzen.

Jeder Mensch hat die Fähigkeit assoziative Muster zu bilden, denn diese Fähigkeit wird bereits sehr früh entwickelt. Ich wusste beispielsweise schon als 4-jährige, wann meine Lieblingsendung im Fernsehen beginnt. Ich konnte zwar noch keine Uhr verstehen, habe mir aber die Stellung der Zeiger auf der Uhr gemerkt. So „wusste“ ich, wann 17.30 Uhr war, weil die Zeiger eine bestimmte Stellung auf dem Zifferblatt einnahmen.

In der nächsten Lektion werden wir einige Übungen machen, die Ihnen Anregungen geben sollen, wie man solche Muster bilden kann. Damit können Sie Ihre Fähigkeit zu assoziieren gezielt ausbauen.

Assoziationen bilden

In dieser Lektion wollen wir uns mit verschiedenen Möglichkeiten beschäftigen, wie man Daten mit eigenen Assoziationen verknüpfen kann. Oder anders: Wie wir aus scheinbar willkürlichen Daten Muster bilden, die wir leichter verarbeiten und erinnern können.

lerntechnik Assoziation

Wie jede andere Fähigkeit können wir damit unsere Fähigkeit der Musterbildung schulen. Je größer unser Repertoire ist, desto mehr Wissen können wir verarbeiten.

1. Übung: Musterbildung aus willkürlichen Zahlenfolgen

  • Petra hat am 20. November Geburtstag
  • Der Zahlencode meiner Kontokarte lautet 17593
  • Ich habe 512 MB RAM

Muster (mögliche Lösung):

  • Wenn ich Tag und Monat von Petras Geburtstag zusammenrechne, ergibt sich meine Glückszahl 31. (20 + 11 = 31)
  • Der Zahlencode meiner Kontokarte ergibt auf dem Nummernpad ein großes M.
  • Mein RAM ist so groß wie 8 x 8 x 8 (= 512)

Nehmen Sie sich selbst drei Zahlen – beispielsweise den Geburtstag Ihrer besten Freundin, den Zahlencode Ihrer Kontokarte oder die Uhrzeit Ihrer Lieblingssendung. Sie können dabei für die Zahlen eine kleine Geschichte erfinden (möglichst kurz), eine Relation erstellen (siehe 8 x 8 x 8 =512), ein bestimmtes Muster suchen (Nummerpad Buchstaben) usw. – notieren Sie Ihre Ideen hierzu.

2. Übung: Bilden Sie Sätze aus Buchstabenfolgen

Beispiel:

ADSF – Anna und Dieter suchen Fische
PUHKS – Peter und Harry können schwimmen

Notieren Sie nun selbst Sätze zu folgenden Buchstabenkombinationen: HIV, GMBH, KOKG, USA, MTV, RTL, TFT, GBR

3. Übung: Bilden Sie Wortketten aus beliebigen Kontexten

Stadt-Land-Fluß: Dortmund, Donau, Uelzen, Niederlande, Erding, G
Computer: RAM, Memorie, Error, Rechtsklick, Konsole, E …

Suchen Sie sich ein bestimmtes Themenfeld und bilden Sie aus den dort üblichen Begriffen Wortketten. Notieren Sie diese.

Vom Chaos zur Ordnung

„Seit der Mensch existiert, sieht er in der Natur Gesichter und Figuren: in Bergen, Felsen, Wolken, Flammen, in der Glut, in Bäumen und Wurzeln…

  Lerntechniken für Schüler und Lehrer

„Ich glaube nur, was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe!“

LerntechnikenKennen Sie das berühmte „Marsgesicht“?
Vor einigen Jahren hat dieses offizielle Mars-Satellitenbild der NASA eine Fülle von „sensationellen“ Vermutungen, bzw. von mehr oder weniger plausiblen Spekulationen ausgelöst. Heute wissen wir, daß es sich um ein völlig „normales“ Gebirge handelt. Nur eine Laune des Zufalls (der Schattenwurf der Sonne) gaukelt uns eine Form vor.

Das Chaos ist das Ungeordnete, Wirre, Gesetzlose, Formlose, Zufällige und für manchen auch das Tolle und Schöne.

Wir suchen in allem Unbekannten nach vertrauten Ideen oder Gestalten. Wir vergleichen – noch unbekannte – Formen mit bekannten Bildern, Ideen oder Gedanken.

Aufgabe:

  1. Holen Sie sich ein Blatt Papier und einen Filzstift.
  2. Zeichnen Sie zuerst einen Rahmen auf das Papier.
  3. Zeichnen Sie innerhalb des Rahmens krumme und gerade Linien, ohne den Stift abzusetzen.
  4. Betrachten Sie Ihre gezeichneten Linien. Suchen Sie nach einer Figur oder nach einem Gesicht. Falls Sie nicht gleich eine Figur finden, drehen Sie das Papier.
  5. Machen Sie die gefundene Figur/das Gesicht durch Schraffieren oder Ausmalen der Fläche sichtbar.
  6. Geben Sie der Figur/dem Gesicht einen Namen.

Beispiel:

LernmethodeLernmethoden
Lernmethoden 2 

Neue Lerninhalte sind uns manchmal so unbekannt, wie die Linien, die Sie gerade gezeichnet haben. Um den Lernstoff zu verstehen, müssen wir aus ihm eine verständliche Struktur machen, ihn mit bekannten Ideen und Gedanken verbinden.

Wissenstest – Wer ist der Erfolgskiller Nr.1?

Was denken Sie: Welchen Einfluss hat Stress in Prüfungssituationen? Stellen Sie sich folgende Situation vor: In einer Hamburger Hochschule sollen Schüler in einem ihrer Leistungsfächer eine mündliche Prüfung ablegen. Um den Einfluss von verschiedenen Stressarten zu testen, haben die Lehrer dieser Hochschule vier verschiedene Prüfungssituationen gestaltet. Sehen Sie sich die einzelnen Prüfungssituationen an, und schätzen Sie ein, mit welchen Ergebnissen die Prüflinge im Durchschnitt abgeschnitten haben.

1. Der Lehrer war sehr freundlich, er ermutigte die Schüler und plauderte mit ihnen. Er stellte anschauliche und klare Fragen. Wie viel Prozent der Fragen wurden Ihrer Meinung nach richtig beantwortet?

  • Es wurden nur ca. 33 % der Fragen richtig beantwortet.
  • Es wurden etwa 40 % der Fragen richtig beantwortet.
  • Es wurden ca. 70 % der Fragen richtig beantwortet.
  • Es wurden bis zu 90 % (oder mehr) der Fragen richtig beantwortet.

Antwort: Es wurden bis zu 90 % (oder mehr) der Fragen richtig beantwortet.

Kein Stress: Die Schüler waren nicht unter Stress. Sie wussten 91 % der Antworten.

2. Der Lehrer zeigte den Schülern, dass er nicht viel von ihrem Wissen hielt, er schnauzte sie an und schüchterte sie ein. Die Fragen selbst stellte er anschaulich und verwendetet die gewohnten Begriffe. Wie viel Prozent der Fragen wurden Ihrer Meinung nach richtig beantwortet?

  • Es wurden nur ca. 33 % der Fragen richtig beantwortet.
  • Es wurden etwa 50 % der Fragen richtig beantwortet.
  • Es wurden ca. 70 % der Fragen richtig beantwortet.
  • Es wurden bis zu 90 % (oder mehr) der Fragen richtig beantwortet.

Antwort: Es wurden etwa 50 % der Fragen richtig beantwortet.

Stressfaktor „gezieltes Einflößen von Angst“: Die Schüler ließen sich durch Einschüchterung und „Anschnauzen“ beeinflussen, sie hatten eine Denkblockade.

3. Der Lehrer war freundlich, er verwendete jedoch einige ungewohnte Begriffe und verhielt sich fremdartig. Er stellte anschauliche und klare Fragen. Wie viel Prozent der Fragen wurden Ihrer Meinung nach richtig beantwortet?

  • Es wurden nur ca. 33 % der Fragen richtig beantwortet.
  • Es wurden etwa 50 % der Fragen richtig beantwortet.
  • Es wurden ca. 70 % der Fragen richtig beantwortet.
  • Es wurden bis zu 90 % (oder mehr) der Fragen richtig beantwortet.

Antwort: Es wurden etwa 40 % der Fragen richtig beantwortet.

Stressfaktor „fremd“: Die Schüler ließen sich durch Unbekanntes und Fremdes beeinflussen, sie hatten eine Denkblockade. Sie wussten 41 % der Antworten.

4. Der Lehrer verhielt sich freundlich und vertraut. Er stellte abstrakte Fragen, ohne sie zu veranschaulichen. Wie viel Prozent der Fragen wurden Ihrer Meinung nach richtig beantwortet?

  • Es wurden nur ca. 33 % der Fragen richtig beantwortet.
  • Es wurden etwa 50 % der Fragen richtig beantwortet.
  • Es wurden ca. 70 % der Fragen richtig beantwortet.
  • Es wurden bis zu 90 % (oder mehr) der Fragen richtig beantwortet.

Antwort: Es wurden nur ca. 33 % der Fragen richtig beantwortet.

Stressfaktor „abstrakt „: Die Schüler ließen sich durch Abstraktes stark beeinflussen, sie hatten eine Denkblockade.

Stress und Denkblockaden

In Stresssituationen setzt ein Stressmechanismus ein, der durch die Evolution biologisch in uns verankert ist. Dieser Mechanismus mobilisiert schlagartig Energiereserven im Körper, damit wir im Kampf ums Dasein überleben können. Er blockiert das Lernen und Denken, wozu wir im „Ernstfall“ keine Zeit mehr hätten. Das Denken wird blockiert zugunsten rascher, reflexartiger Körperreaktionen.

Wir reagieren mit Stress – und Denkblockaden – gegenüber allem Fremden und diese Reaktionen können wir ebenfalls bei allen höheren Tieren beobachten. Ein Kamerateam legte einen buntgestreiften Ball in ein Antilopengehege eines Tierparks. Die Tiere stoben auseinander, sobald sie den Ball – den ungewohnten Gegenstand – entdeckten. Nachdem der Ball einige Zeit dort lag, näherten sich die Tiere zögernd und beschnupperten ihn schließlich. Nachdem der Stress abgeklungen war, siegte die Neugierde, der Grundtrieb des Lernens.

Viele Menschen schätzen den Stressfaktor Angst als denjenigen ein, bei dem wir die größten Denkblockaden haben. Wenige Menschen wissen, wie stark ihre Lernleistung sinkt, wenn sie es mit Abstraktem, Fremden und Unbekanntem zu tun haben.

Wenn Sie ein abstraktes Thema bearbeiten, ist es besonders wichtig, dass Sie sich das Thema veranschaulichen und konkretisieren. Verknüpfen Sie es mit eigenen Erfahrungen. Erst wenn Sie ein konkretes Verständnis des Themas entwickelt haben, werden Sie es verstehen können.

Lernen heißt Verstehen!

Herbert S. klappt das Fachbuch zu, das er gerade zu Ende gelesen hat: „Jetzt habe ich das ganze Buch durchgelesen, da steht eine Menge drin, aber frag mich bloß nicht, um was es ging.“

lerntechniken Lernen verstehen

Wie können wir uns Lerninhalte aneignen, wenn wir es von anderen Menschen oder Lernmedien (Bücher, Lernsoftware, Videos…) präsentiert bekommen?

Neue Informationen können wir verarbeiten, wenn wir sie verstehen – wenn es irgendetwas gibt, das wir damit verbinden können. Einen Anknüpfungspunkt an vorherige Erfahrungen, an Vorwissen zu finden, mit dem wir die Information verbinden können.

Viele Menschen greifen auf „auswendig lernen“ zurück, wenn sie etwas nicht verstehen. Dann wird das Lernen zum „Pauken“, sie versuchen sich Wissen einzutrichtern. Diese Art des Lernens führt höchstens zu kurzfristigen und oberflächlichen Erfolgen. Angelerntes, das nicht richtig verstanden wird, wird schnell vergessen.

Auswendig lernen als Ergänzung

Haben wir den Lernstoff verstanden, kann das gezielte auswendig lernen von Kern- oder Merksätzen eine wichtige Ergänzung sein. Mit diesen Sätzen kann unser Unterbewusstsein „weiterdenken“, neue Verknüpfungen finden und der Lerninhalt begegnet uns vielleicht in unseren Träumen.

Auswendig lernen ist kein Ersatz für „Verstehen“, aber eine Hilfe, um sich ein Thema in wenigen Sätzen wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Lernen mit Erfahrungen verknüpfen

Verbindungen und Verknüpfungen zwischen dem neuen Lernstoff und vorhandenem Wissen zu finden und zu aktivieren, ist eine zentrale Aufgabe beim Lernen. Diesen Prozess können Sie unterstützen. Aktivieren Sie Ihr Wissen und knüpfen Sie Verbindungen.

Damit können Sie neuen Lernstoff besser verarbeiten und verstehen. Haben Sie Vorwissen zu einem Thema, können Sie neue Informationen an dieses vorhandene Wissen „anhängen“. Je mehr Vorwissen Sie haben, desto leichter können Sie neue Informationen einfügen.

Lernen Sie gerade ein Thema? Wenn ja – haben Sie Vorwissen zum Thema? Wenn nein – was wollen Sie gerne lernen? Welches Vorwissen ist Ihrer Meinung nach für Ihr Lernvorhaben nötig? Notieren Sie, was Sie bereits darüber wissen.

Was können Sie tun, wenn Sie kein Vorwissen zu einem neuen Gebiet haben? Finden Sie Verknüpfungsmöglichkeiten zu Alltagserfahrungen oder zu anderen Wissensgebieten. Kinder können beispielsweise die Addition und Subtraktion leicht verstehen, wenn man mit ihnen Bauklötzchen zu einem Turm aufstapelt bzw. mit diesen Klötzchen rechnen spielt.

Wir können zu jedem Gebiet Vergleiche und Verbindungen zu anderen Wissensgebieten oder Erfahrungen finden. Wenn wir unsere Erfahrungen mit dem Neuen in Verbindung bringen, wird die Aneignung von Wissen zur Erweiterung unseres bisherigen Wissens. Wir vertiefen vorhandenes Wissen.

Bedeutungen erzeugen und verbinden

Wir haben keine unverbundene Fakten und Ereignisse in unserem Gedächtnis, sondern vorwiegend Beziehungen von Gedächtnisinhalten. Regeln, Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien müssen wir verstehen, um sie auf andere Wissensgebiete übertragen zu können.

lerntechniken Lernen ist bedeutung erzeugen

Einzelne Wissensinhalte sollten aufeinander bezogen sein. Je tiefer Sie ein Wissensgebiet durchdenken und analysieren, desto mehr können Sie dieses Wissen mit anderem Wissen verbinden.

Mit dem Finden von Verknüpfungen steigt der Spaß und die Freude am Lernen und wir sind motivierter noch mehr Verbindungen zu finden. Das Lernen wird leichter. Je mehr wir wissen, desto leichter finden wir Anknüpfungspunkte für neues Wissen. Wir entdecken Assoziationsmuster, Wechselwirkungen und Überschneidungen.

Lerninhalte verstehen

Was sollten Sie tun, damit Sie Lerninhalte verstehen und verarbeiten können?

  • Vorwissen aktualisieren
    Rufen Sie sich in Erinnerung, was Sie zum Thema bereits wissen. Haben Sie Bücher, Artikel zum Thema gelesen? Hat Ihnen jemand etwas darüber erzählt? Damit bereiten Sie das „Netz“ vor, in das Sie die neuen Informationen einfügen können.
  • Ein Ziel formulieren
    Formulieren Sie ein Ziel, das Sie durch die Bearbeitung des Lerninhaltes erreichen wollen. Was wollen Sie verstehen? Wie tief soll Ihr Verständnis sein? Welche neuen Möglichkeiten wollen Sie sich durch das Gelernte eröffnen?
  • Vom Groben zum Feinen
    Erfassen Sie zuerst zentrale Ideen und Zusammenhänge. Verschaffen Sie sich einen Überblick, bevor Sie in die Details gehen.
  • Fehlendes Vorwissen nachholen
    Manche Lerninhalte setzen Vorwissen voraus, d.h. sie bauen darauf auf. Stellen Sie fest, dass Ihnen wichtiges Vorwissen fehlt, sollten Sie zuerst dieses Wissen nachholen, damit Sie die neuen Lerninhalte verstehen können.
  • „In meinen Worten“
    Fassen Sie das Gelernte „in eigene Worte“. Damit machen Sie sich klar, wie viel Sie verstanden haben. Sie haben nur das verstanden, was Sie in „Ihren Worten“ ausdrücken können. Haben Sie damit Schwierigkeiten, veranschaulichen Sie sich die Sachverhalte, indem Sie sich ein Bild (oder Schaubild, Diagramm…) davon machen.
  • Kritische Würdigung
    Würdigen Sie den Lerninhalt kritisch. Was davon stimmt mit Ihren Erfahrungen überein? Was nicht? Gibt es andere Meinungen, Ansichten zum Thema? Diskutieren Sie mit anderen Menschen über die Lerninhalte. Eine kritische Auseinandersetzung fördert das Verstehen und Übertragen des Gelernten.

Lernstoff, den Sie gut verstanden und intensiv verarbeitet haben, erinnern Sie auch zu einem späteren Zeitpunkt. Haben Sie sich einen Stoff mit vielen Sinnen eingeprägt (gehört, gesehen, angefasst), haben Sie viele Möglichkeiten, die Inhalte wieder in Erinnerung zu rufen.

Unser Gedächtnis speichert auch die Begleitumstände des Lernens ab. Lernen Sie beispielsweise mit sympathischen Menschen in einem schönen Garten, mit Blumenduft und Freude, speichern Sie diese „Umstände“ im Gedächtnis und können sie als „Eselsbrücken“ nutzen. Waren die „Umstände“ angenehm, erinnern wir uns gerne und gut an diesen Lernstoff.

Wiederholungen des Lernstoffs sind wichtig, damit wir die Lerninhalte im Langzeitgedächtnis bewahren. Damit ist kein vielfaches Pauken und Büffeln eines Stoffs gemeint, sondern eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte in eigenen Worten oder die Wiederholung der Kern- und Merksätze. Haben Sie den Stoff verstanden, fällt das Wiederholen leicht und erfordert einen geringen Zeitaufwand. In manchen Situationen, z. B. wenn Sie Begriffe oder Vokabeln wissen müssen, ist wiederholendes Lernen unumgänglich und durch nichts zu ersetzen.

Aufgabe:

  • Notieren Sie ein Beispiel für eine Lernsituation, in der Sie den Stoff gut verstehen konnten.
  • Notieren Sie ein Beispiel für eine Lernsituation, in der Sie den Stoff nicht verstehen konnten.
  • Überlegen Sie – anhand dieser Lektion, weshalb Sie den Lernstoff verstehen, bzw. nicht verstehen konnten.

Grundsätze des Lernens

Lernarbeit ist eine Arbeit, wie jede andere auch und deshalb sollten Sie diese auch so behandeln: Je wichtiger, schwieriger und komplexer sie ist, desto mehr Zeit sollten Sie ihr widmen.

Das wichtigste ist, dass Sie sich mit dem Lernstoff befassen, in welcher Form auch immer. Suchen Sie sich die Prinzipien aus, die am besten zum Lernstoff passen. Experimentieren Sie, testen Sie Verschiedenes aus…

Aktualisieren Sie Ihr Vorwissen

Klug ist, wer weiß, was er nicht weiß! Sokrates (470 – 399 v. Chr.)

Suchen Sie nach Verknüpfungen zu dem, was Sie wissen, kennen und erfahren haben, um neue, unbekannte Lerninhalte zu verstehen. Fragen Sie sich:

  • Was weiß ich bereits über dieses Thema?
  • Was will ich darüber wissen?
  • Was ist mir neu oder unklar?

Formulieren Sie ein Lernziel

Es liegt an Ihnen, ob sie einen Teil oder den gesamten Lernstoff erinnern wollen. Wollen Sie den gesamten Lernstoff erinnern, müssen Sie sich gründlich mit ihm befassen.

Lerntechniken anwenden Lernziele formulieren

Was müssen Sie wie genau wissen?

Beantworten Sie sich diese Frage und legen Sie genau fest, was Sie in welchem Umfang und in welcher Tiefe wissen wollen. Legen Sie vor Beginn der Lernarbeit Ihre Lernziele fest, dann können Sie entscheiden, was Sie wie intensiv lernen wollen.

Gehen Sie vom Groben zum Feinen

Machen Sie sich das Ganze im Zusammenhang klar, bevor Sie versuchen Details zu verstehen. Ordnen, strukturieren Sie Einzelinformationen, indem Sie nach Prinzipien und Zusammenhängen suchen. Dieser Prozess erfordert zwar Arbeit, trägt aber die besten Früchte.

Haben Sie die zentralen Zusammenhänge erfasst, können Sie meist viele Verbindungen zu Ihrem Leben herstellen. Ein grober Zusammenhang ist im Gegensatz zu Details nie absolut fremd. Er kann vielfach verknüpft werden und bietet zugleich neue Anknüpfungsmöglichkeiten für die Details.

Holen Sie fehlendes Vorwissen nach

Manche Lerninhalte setzen Vorwissen voraus, bzw. bauen darauf auf. Stellen Sie fest, dass Ihnen wichtiges Vorwissen fehlt, sollten Sie zuerst dieses Wissen nachholen, damit Sie die neuen Lerninhalte verstehen können.

Bemerken Sie, dass Ihnen Begriffe und/oder Sachverhalte unverständlich sind, diese aber wichtig sind, lesen Sie nicht einfach weiter. Machen Sie sich diese Begriffe/Sachverhalte verständlich, indem Sie in Lexika oder Fachliteratur nachschlagen oder nachfragen (bei Vorträgen).

Nicht alles lohnt sich nachzuschlagen und die Unterscheidung ist nicht immer einfach. Wichtige Begriffe können Sie beispielsweise daran erkennen, wenn sie fett gedruckt sind, in Überschriften stehen oder wiederholt erwähnt werden.

Nutzen Sie Ihre Sinne

Allgemein gilt: Je mehr Sinne Sie beim Lernen einsetzen, desto besser können Sie sich Lernstoffe einprägen. Wiederholen Sie wichtige Inhalte laut (Gehörsinn). Wenn Sie Düfte (Kaffeegeruch, Blumenduft, Räucherungen etc.) lieben, umgeben Sie sich damit (Geruchssinn).

Machen Sie sich „Bilder“, um einen Lernstoff besser zu verstehen und einprägen zu können (Sehsinn). Fertigen Sie für schwierige und/oder wichtige Sachverhalte Bilder, Diagramme, Schemata… auf Papier oder vor dem geistigen Auge an. Damit verstehen Sie schwierigen Lernstoff leichter, prägen ihn sich besser ein und verarbeiten ihn zugleich.

Schreiben Sie Wichtiges auf (Tastsinn). Die Lernkartei – wichtige Inhalte auf Karteikarten – ist eine gute Möglichkeit, das Gelernte mit „Handarbeit“ zu vertiefen.

Beachten Sie, welcher Lerntyp Sie sind

Achten Sie darauf, wenn Sie z.B. auditiv schwach sind, Informationen nicht nur über die Ohren aufzunehmen. Sie werden von den Informationen dann nur wenig behalten. Ergänzen Sie Ihre Informationsaufnahme durch Lernmethoden, die Ihnen liegen.

Sehen Sie zu diesem Thema auch unseren Lerntypentest!

Drücken Sie Gelerntes in „Ihren Worten“ aus

Formulieren Sie das Gelernte in eigenen Worten. Die eigenen Worte prägen sich viel besser ein, als Formulierungen von anderen (Autor/Lehrer). Fällt es Ihnen schwer das Gelernte in eigenen Worten zu fassen, ist dies ein Indiz dafür, dass Sie den Stoff noch nicht richtig verstanden haben.

Lerntechniken mit Notizen

Würdigen Sie Gelerntes kritisch

Setzen Sie sich kritisch mit dem Lerninhalt auseinander. Bilden Sie sich eine persönliche Meinung zum Lernstoff.

  • Was können Sie aufgrund Ihrer eigenen Erfahrungen nachvollziehen, was nicht?
  • Gibt es andere Meinungen, Ansichten zum Thema?
  • Diskutieren Sie mit anderen Menschen über die Lerninhalte.

Eine kritische Auseinandersetzung fördert das Verstehen. Sie können den Stoff leichter auf Ihre Situation anwenden und ihn besser erinnern.

Wiederholen Sie das Gelernte

Prüfen Sie, ob Sie den Lerninhalt verstanden und ihn sich eingeprägt haben: fassen Sie das Wichtigste zusammen, wiederholen Sie den Inhalt in eigenen Worten. Hören Sie mit dem Lernstoff auf, wenn er richtig sitzt, beispielsweise bei Vokabeln nach dem Durchlauf, in dem Sie alle gekonnt haben.

Wiederholen Sie den Lernstoff erst dann, wenn Sie schon relativ viel vergessen haben. Dann können Sie mit recht geringem Aufwand hohe Ergebnisse erzielen. Lassen Sie, bevor Sie wiederholen, mindestens einen Tag verstreichen. Das Wiederlernen, von dem, was wir einmal wussten, erfordert nur einen geringen Zeitaufwand. Je häufiger Sie einen Inhalt wiederholen, desto eher geht er ins Langzeitgedächtnis über.

Lernen Sie nichts Neues kurz vor Prüfungen

Lernen Sie nichts Neues unmittelbar vor Prüfungen oder wichtigen Vorträgen. Wir brauchen Zeit, um Lerninhalte zu verarbeiten. Wenn ein Lernprozess nicht abgeschlossen ist, ist es schwierig früher Gelerntes wieder abzurufen. Die Verarbeitung des Neu-Gelernten stört die Wiedergabe des alten Lernstoffs.

Die Lernkartei

Für eine systematische Wiederholung des Lernstoffs eignet sich eine Lernkartei sehr gut. Sie kann in vielen Lernsituationen eingesetzt werden. Wichtige Inhalte werden auf Karteikarten aufgeschrieben, dadurch wird der Lernstoff geistig verarbeitet und mit „Handarbeit“ ergänzt – es wird mit mehreren Sinnen gelernt.

Um eine Lernkartei anzulegen, benötigen Sie Karteikarten (oder Zettel aus festerem Papier) und einen Kasten mit 5 Fächern. Den Karteikasten können Sie kaufen oder selber basteln, indem Sie eine Schachtel (schmale Schuhschachteln eignen sich recht gut) mit fünf Unterteilungen versehen. Die Breite der Fächer verdoppelt sich von Fach zu Fach (1-2-4-6-8 cm).

Mit der Lernkartei können Sie fast alles lernen – von der Grundschule über die Berufsausbildung bis zur Weiterbildung. Auf die Vorderseite schreiben Sie die bekannten Informationen, auf die Rückseite den zu lernenden Stoff:

Daten aus der Geschichte
Vorderseite: Wann fand die Schlacht im Teuteburger Wald statt?
Rückseite: im Jahr 9 nach Christus.

Vokabeln/Fremdwörter lernen
Vorderseite: deutsches Wort/Fremdwort
Rückseite: Übersetzung (z. B. das entsprechende französische Wort/die Bedeutung des Fremdwortes) Sie können zusätzlich einen Satz notieren, aus dem der Sinn des Wortes ersichtlich wird.

Rechtschreibung
Vorderseite: ? (ein Fragezeichen bedeutet, dass man einen Lernpartner braucht, der das Wort vorliest.)
Rückseite: ein Wort, das man falsch hatte (der Lernpartner diktiert das Wort)

Tipps zum Erstellen der Karten

  1. Versuchen Sie so schön und deutlich wie möglich zu schreiben. Haben Sie sich einmal verschrieben, sollten Sie eine neue Karte nehmen. Das sorgfältige Beschriften der Karteikarten genügt oft schon, um den Lernstoff am nächsten Tag noch zu wissen.
  2. Achten Sie darauf, dass alles richtig geschrieben ist, damit Sie keine Rechtschreibfehler mitlernen.
  3. Zerlegen Sie den Lernstoff in die kleinsten noch sinnvollen Lerneinheiten und formulieren Sie die Fragen und Antworten so einfach und eindeutig wie möglich.
  4. Beschriften Sie die Karten im oberen Teil, weil dies das Einordnen und Nachschlagen erleichtert.

Der Umgang mit der Lernkartei

Lernen Sie täglich – und diese Regelmäßigkeit bzw. Disziplin ist wichtig, auch wenn es einmal vorkommt, dass Sie einen Tag aussetzen:

  1. Eine Karte nehmen,
  2. die Vorderseite lesen,
  3. die Antwort überlegen,
  4. Karte drehen und die gedachte Antwort überprüfen,
  5. Karte ablegen.

Lernkartei: Ablauf des Lernens

Grundregel: Fach 1 wird jeden Tag wiederholt …

Legen Sie eine überschaubare Menge an Karten, die Sie lernen wollen in Fach 1.

Nehmen Sie sich eine Karte, lesen die Vorderseite, überlegen Sie sich die Antwort und prüfen diese. (Entscheiden Sie selbst, wie lange Sie überlegen, bevor Sie die Karte umdrehen und welche Antwort noch als „richtig“ gelten lassen oder als „falsch“ werten.)

War Ihre Antwort richtig, wandert die Karte in Fach 2, hinter die vorhandenen Karten. War Ihre Antwort falsch, stecken Sie die Karte wieder ins Fach 1, hinter die vorhandenen Karten.

Diesen Vorgang sollten Sie so lange wiederholen, bis nur noch wenige Karten in Fach 1 liegen.

Jetzt kann Fach 1 mit neuem Material aufgefüllt werden, bis auch diese Informationen größtenteils im Fach 2 abgelegt wurden. Jede neue Karte kommt in das Fach 1 hinter die dort schon vorhandenen Karten.

Fach 2 wird erst bearbeitet, wenn es fast voll ist! Wenn Sie sich diese Karten vornehmen, gehen Sie vor wie bei Fach 1:

  • War Ihre Antwort richtig, wandert die Karte in Fach 3.
  •  War Ihre Antwort falsch, stecken Sie die Karte wieder ins Fach 1.

Bei allen weiteren Fächer wird nach demselben Prinzip vorgegangen:

  • Neue Karten kommen in Fach 1.
  • Fach 1 wird jeden Tag bearbeitet.
  • Bei einer richtigen Antwort wandert die Karte in das nächste Fach.
  • Bei einer falschen Antwort wandert die Karte in Fach 1.
  • Ein anderes Fach wird erst bearbeitet, wenn es fast voll ist.

Kurz gesagt:

  • Alle richtig beantworteten Karten wandern in das nächste Fach
  • Alle falsch beantworteten Karten wandern zurück in Fach 1.

Lernkartei: Prinzip der 5 Fächer

Beim Lernkarteikasten fällt auf, dass die Fächer verschieden groß sind. In Fach 1 passen nur wenige Zettel oder Karten, weiter hinten werden die Fächer immer länger.

Der Grund dafür ist, dass der Lernstoff vom Kurzzeitgedächtnis (Ultrakurzzeitgedächtnis) ins Mittelzeitgedächtnis (Arbeitsgedächtnis) und weiter ins Langzeitgedächtnis gelangen soll. Da jedes Fach (bis auf das erste) erst dann bearbeitet wird, wenn es voll ist, wiederholen Sie den Stoff nach immer längeren Zeitabständen. Und da die Fächer immer länger werden, dauert es auch immer länger, bis ein Fach mit richtig beantworteten Karten gefüllt ist.

Dadurch wiederholen Sie Lernstoff immer erst dann, wenn er wieder zu verblassen droht. Wenn Sie nach etwa einem Monat – bis dahin sollten Sie an die letzten Karten in Fach 5 gelangen – die Karte sofort richtig beantworten, dann ist das beinahe eine Garantie dafür, dass Sie das auch noch in einem Jahr können.

Alternative Lernkartei

Diese Art der Lernkartei eignet sich besonders für Vokabeln oder ähnliche kleine Stoffeinheiten (Geschichtsdaten, Formeln…). Sie brauchen dafür eine Schachtel mit 6 Unterteilungen und viele gleich große Karten aus festem Papier.

lerntechnik zettelkasten selber machen

Schreiben Sie auf die Vorderseite der Karten das deutsche Wort (oder eine Wortgruppe) und auf die Rückseite die Übersetzung.

  1. Alle leeren Karten kommen in Fach 0.
     
  2. Alle beschriebenen Karten kommen zu Anfang in Fach 1.
     
  3. Grundregel: Fach 1 wird jeden Tag bearbeitet.
     
  4. Ziehen Sie jeden Tag etwa 20 Karten nach dem Zufallsprinzip aus Fach 1: Lesen Sie die Vorderseite, überlegen Sie sich die Antwort, prüfen Sie die Antwort:
    • War die Antwort richtig, stecken die Karte in das nächste Fach.
    • War die Antwort falsch, stecken Sie die Karte wieder in Fach 1. 
  5. Sind in Fach 2 etwa 20 Karten gelandet, nehmen Sie sich zu Beginn des Lernens zuerst diese vor (nach demselben Prinzip – richtige Antworten kommen ins dritte Fach etc.)
     
  6. Danach lernen Sie wieder etwa zwanzig Zettel aus dem Fach 1.
     
  7. Sind in Fach 3 wieder etwa zwanzig Karten, dann beginnen Sie das Lernen mit Fach 3, danach nehmen Sie sich Fach 2 vor und dann wieder etwa 20 aus Fach 1.
     
  8. Mit allen weiteren Fächern verfahren Sie nach demselben Prinzip.
     
  9. Richtig beantwortete Karten aus Fach 5 können in den Papierkorb wandern – die sitzen fest im Gedächtnis.

Fallbeispiel 1: Galerie im Internet

Ludmilla S. besitzt eine kleine Galerie in Berlin. Mittlerweile hat sich ihr kleines Geschäft soweit etabliert, dass sie nach neuen Möglichkeiten sucht, ihre Waren zu vertreiben. Ein Freund hat ihr angeboten, einen Internetshop aufzubauen. Da Ludmilla bislang mit diesem Medium noch nicht vertraut ist, sucht sie nach Informationsmöglichkeiten, wie man einen Versand im Internet professionell aufziehen kann.

lerntechnik gallerie

Eine Berliner Abendschule bietet einen Einsteigerkurs für Internet-Newbies an. Professionelle Anbieter werden dort Vorträge über ihre Erfahrungen mit Internetpräsenzen halten. In der Werbung wird angekündigt, dass man sich frühzeitig anmelden soll, da die Teilnehmerzahl auf 15 Personen beschränkt ist.

Neben dem Theorieteil werden noch praxisnahe Anwendungsbeispiele am Computer besprochen. Zum Abschluss bekommt jeder Teilnehmer noch eine Broschüre, in der alle Unterrichtseinheiten schriftlich zusammengefasst sind. Ludmitlla S. meldet sich zu diesem Kurs an.

Aufgabe:

Beantworten Sie die folgenden Fragen:

  • Welche der „Grundsätze des Lernens“ sind für Ludmilla S. wichtig/unwichtig?
  • In welcher Form könnte sie diese Grundsätze umsetzen?
    (Beispiel: „Nutzen Sie Ihre Sinne“ ist wichtig. Sie könnte bei den Vorträgen mitschreiben – Ohren und Hand nutzen)

Anmerkung: Lesen Sie den folgenden Text erst, wenn Sie Ihre eigenen Notizen fertig geschrieben haben!

Welche Grundsätze des Lernens sollte Ludmilla beachten?

Machen wir in Ludmillas Fall eine kleine Analyse der Prinzipien, die wir in den vorherigen Lektionen besprochen haben.

1. Aktualisieren Sie Ihr Vorwissen

Wichtig – Ludmilla S. sollte vor der Veranstaltung alles, was sie über das Internet weiß, ins Gedächtnis rufen.

2. Formulieren Sie ein Ziel

Sehr wichtig – Nur wenn Ludmilla S. weiß, was sie lernen will, kann sie bei Vorträgen gezielt nachfragen. Sie könnte folgende Teilziele formulieren: Marktübersicht erhalten, Einschätzung über Kosten/Nutzen gewinnen. Sie könnte folgende Fragen formulieren:

  • Welche vergleichbaren Galerien nutzen das Internet?
  • Gibt es konkrete Zahlen über Erfolge?
  • Wie hoch sind die Kosten einer Internetpräsenz?

3. Gehen Sie vom Groben zum Feinen

Unwichtig – Den Aufbau des Kurses und die Struktur der Lerneinheiten bestimmen die Veranstalter und Referenten, Ludmilla S. hat darauf keinen Einfluss.

Vielleicht werden Regeln, Prinzipien und Zusammenhänge benannt. Wenn nicht, bleibt Ludmilla während des Vortrages wahrscheinlich nicht genügend Zeit selbst danach zu suchen.

4. Holen Sie fehlendes Vorwissen nach

Wichtig Ludmilla S. sollte unbedingt nachfragen, wenn ihr etwas wichtig erscheint und sie es nicht versteht. Allerdings ist die Einschätzung was wichtig/unwichtig ist nicht immer einfach, wenn das Gebiet für sie fremd ist. Sie könnte ihre Teilziele als Orientierung für diese Einschätzung verwenden.

5. Nutzen Sie Ihre Sinne

Sehr wichtig Ludmilla S. erhält geballte Informationen. Sie sollte jede Möglichkeit nutzen, um sich die Informationen best möglichst einzuprägen. Sie sollte bei den Vorträgen nicht nur zuhören und zuschauen, sondern auch Wichtiges in ihren Unterlagen markieren und selbst im Internet surfen.

Ludmilla S.sollte wissen, welcher Lerntyp sie ist und so weit ihr das beim Kurs möglich ist, den Lernstoff mit ihren präferierten Sinnen aufnehmen (z. B. sollte sie mitschreiben, wenn sie „auditiv schwach“ ist.)

6. Drücken Sie Gelerntes in „Ihren Worten“ aus

ErforderlichLudmilla S. sollte – nicht während der Vorträge – aber am Ende des Tages ein Resümee ziehen, über das, was sie erfahren hat und welche Konsequenzen sie daraus zielen will.

Dafür kann sie vom Groben zum Feinen gehen, nach wichtigen Regeln, Prinzipien, Zusammenhängen suchen, sich eine Vorstellung vom Gelernten machen und die Informationen mit ihren Erfahrungen verbinden.

7. Würdigen Sie Gelerntes kritisch

Sehr wichtig – Wenn Ludmilla S. sich bei der Informationsveranstaltung eine erste Einschätzung holen will, ob sich die zeitlichen und finanziellen Investitionen einer Internetpräsenz lohnen, sollte sie sich kritisch mit den Aussagen der Veranstalter auseinandersetzten. Sie könnte sich auch in den Pausen mit anderen Teilnehmer/innen austauschen. Sie sollte auf konkrete Zahlen und Fakten achten (wer macht welche Gewinne/Umsätze, sind die Unternehmen vergleichbar…)

8. Wiederholen Sie das Gelernte

UnwichtigLudmilla S. muss zu einer Einschätzung gelangen – sie muss keine Begriffe lernen. Allerdings sollte sie, falls sie sich für eine Internetpräsenz entscheidet, wichtige Begriffe kennen, z. B. sollte sie wissen, was eine Homepage, Html, E-Mail, Suchmaschine… ist.

Fallbeispiel 2 – Ein Kurs in Buchführung

Henry M. hat im Internet einen kleinen Shop. Was als Hobby anfing, wurde mit der Zeit zum Nebenverdienst. Mittlerweile konnte er seine Arbeit auf eine Halbtagesstelle reduzieren. Er verdient den Rest mit seinem Internetshop. Die Umsätze sind bereits so hoch, dass er sich mit Buchführung beschäftigen muss. Deshalb besucht er einen einjährigen Abendkurs in Buchführung.

Eigentlich fällt ihm das Lernen nicht schwer. Alles was er für seine Internetpräsenz wissen musste, hat er sich selbst beigebracht. Doch den Lernstoff für Buchführung findet er sehr abstrakt, er kann sich unter den vielen Begriffen nichts vorstellen.

Seit 6 Wochen nimmt er an den Veranstaltungen teil, doch er findet keinen Zugang zur Welt der Buchführung. Da er die Kenntnisse über Buchführung unbedingt braucht, plant er eine intensive Lernphase. Er will den bisherigen Stoff bearbeiten, bis er ihn versteht.

Aufgabe:

Beantworten Sie die folgenden Fragen:

  • Welche der „Grundsätze des Lernens“ sind für Henry M. wichtig/unwichtig?
  • In welcher Form könnte er diese Grundsätze umsetzen?

Vergleichen Sie Ihre Antworten mit meiner Analyse erst, wenn Sie selbst Antworten notiert haben.

Welche Grundsätze des Lernens sollte Henry beachten?

1. Aktualisieren Sie Ihr Vorwissen

Sehr wichtigHenry M. sollte seine Lebenserfahrungen betrachten, um einen Bezug zum Thema zu finden. Er kann sich fragen, in welcher Form er bereits mit ähnlichen Themen in Berührung kam, beispielsweise ob er Verknüpfungen zu den Einzahlungen, Abbuchungen auf seinem Bankkonto herstellen und sich das Thema dadurch veranschaulichen kann. Vielleicht kennt er jemand, der sich mit Buchführung auskennt…

2. Formulieren Sie ein Ziel

Sehr wichtigHenry M. sollte sich den Lernstoff unbedingt in kleine, überschaubare Einheiten aufteilen und Zwischenziele formulieren. Wenn er das erste Zwischenziel erreicht, hat er den ersten Lernerfolg, für den er sich belohnen kann. Seine Motivation wird steigen und er kann leichter neue Lernerfolge erzielen. Damit lässt sich ein positiv verstärkender Kreislauf erzeugen.

3. Gehen Sie vom Groben zum Feinen

Sehr wichtig Henry M. sollte als Erstes im Großen und Ganzen verstehen was „Buchführung“ bedeutet und sich danach den Details widmen. Er sollte nach Beispielen und Vergleichsmöglichkeiten suchen, die denselben Regeln, Prinzipien und Zusammenhängen unterliegen (z. B. das eigene Sparkonto und dessen Zu- und Abgänge). Macht er sich diese klar, hilft ihm das, den Stoff besser zu verstehen.

4. Holen Sie fehlendes Vorwissen nach

Wichtig – Stößt Henry M. auf unverständliche Begriffe, die regelmäßig auftauchen, sollte er sie unbedingt in einem Lexikon (o.ä.) nachschlagen und versuchen, sie zu verstehen.

5. Nutzen Sie Ihre Sinne

Sehr wichtigHenry M. hat noch keine Vorstellung von den Vorgängen der Buchführung. Er sollte eine Vorstellung zu den zentralen Aussagen des Themas entwickeln. Vielleicht kann er den Stoff nicht „be-greifen“, sich kein „Bild dazu machen“, er ist für ihn zu abstrakt.

Zusätzliche Materialien zum Thema könnten ihm das Lernen erleichtern. Vielleicht findet er Medien zum Thema, die den Stoff auf eine andere Weise erklären z. B. Lernsoftware, Videos, die spielerisch in das Thema einführen, mehrere Sinne ansprechen und bei denen er selbst aktiv üben kann.

Henry M.sollte wissen, welcher Lerntyp er ist und den Lernstoff durch Lernmethoden ergänzen, bei denen er am meisten versteht.

6. Drücken Sie Gelerntes in „Ihren Worten“ aus

WichtigHenry M. sollte am Ende jeder Lerneinheit das Gelernte in eigenen Worten zusammenfassen. So kann er überprüfen, was er verstanden hat und was nicht.

7. Würdigen Sie Gelerntes kritisch

Schwer möglich – Da ihm der Lernstoff noch fremd und unverständlich ist, kann er sich noch nicht kritisch mit ihm auseinandersetzen.

8. Wiederholen Sie das Gelernte

Sehr wichtigHenry M. sollte die wichtigsten Inhalte wiederholen und sich die zentralen Begriffe einprägen, bis sie sitzen. Die zentralen Begriffe werden im Kurs immer wieder auftauchen und wenn er erst darüber nachdenken muss, was sie bedeuten, kann er dem aktuellen Stoff nicht richtig folgen. Die Lernkartei eignet sich sehr gut für die zentralen Begriffe.

Viel Spaß beim Testen der Lerntechniken!

Petra Sütterlin